OGH 5Ob248/00g

OGH5Ob248/00g24.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichsthofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers KR Wolfgang S*****, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin Christina T*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen Zustimmung zu einer Bauführung (§ 13 Abs 2 WEG iVm § 26 Abs 1 Z 2 WEG), unter Beteiligung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****, 1.) B***** Innsbruck, B*****, 2.) Emma H*****,

3.) Dr. Rudolf S*****, und 4.) Gabriele P*****, alle vertreten durch Mag. Harald Schuh und Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. Mai 2000, GZ 3 R 92/00a-15, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 21. Februar 2000, GZ 11 Msch 118/99t-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft *****. Er beabsichtigt, den in seinem Wohnungseigentum stehenden Dachboden unter gleichzeitiger Aufstockung des Hauses auszubauen und verfügt über bereits bewilligungsfähige Baupläne, doch verweigert ihm die Antragsgegnerin als einzige der übrigen Miteigentümer die Liegenschaft die Zustimmung zur Bauführung. Sie wendet sich nicht gegen den Dachbodenausbau an sich, wohl aber gegen eine vorgesehene Überkragung der Hoffassade um 3 Meter. Der Antragsteller hat daraufhin im außerstreitigen Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 2 WEG beantragt, die fehlende Zustimmung der Antragsgegnerin zur Aufstockung des Hauses und zum Ausbau des Dachbodens nach dem bereits eingereichten Bauplan durch Gerichtsbeschluss zu ersetzen.

Das Erstgericht gab diesem Antrag statt. Das von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht hob jedoch diese Entscheidung auf, um der vom Erstgericht als unerheblich angesehenen Frage nachzugehen, ob die in § 13 Abs 2 Z 2 WEG für die geplanten Änderungen verlangten Voraussetzungen - die Verkehrsüblichkeit oder ein wichtiges Interesse des Antragstellers - vorliegen. Durch die geplanten Baumaßnahmen würden gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, sodass es nicht ausreiche, nur die in Z 1 leg cit normierten Änderungsvoraussetzungen zu bejahen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig, das Verfahren in erster Instanz also erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei. Begründet wurde dies damit, dass offenbar "eine oberstgerichtliche Judikatur zu einem Dachbodenausbau in der hier vom Antragsteller beabsichtigten Weise (Hinausragen der Dachgeschossebenen um 3 m über die bestehende Hausfassade) nicht vorliegt."

Der dagegen vom Antragsteller mit dem primär verfolgten Ziel einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses erhobene Revisionsrekurs (zu dem sich die Antragsgegnerin in einer Revisionsrekursbeantwortung äußerte und hiefür die Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung verzeichnete) ist unzulässig.

Gemäß § 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und §§ 528a, 510 Abs 3 letzter SatzZPO genügt es, die Zurückweisungsgründe auszuführen:

Weder dem Rekursgericht noch dem Rechtsmittelwerber ist es gelungen, erhebliche Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, die die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigten könnten.

Rechtliche Beurteilung

Ob eine von einem Wohnungseigentümer beabsichtigte Änderung seines Wohnungseigentumsobjektes von den anderen Mit- und Wohnungseigentümern der Liegenschaft nach Maßgabe des § 13 Abs 2 WEG zu dulden ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (5 Ob 448/97m = EWr II/13/83; immolex 1998, 179/109; 5 Ob 58/99m = EWr II/13/122 ua). Das sich der Oberste Gerichtshof zur besonderen Weise eines Dachbodenausbaus (das Auskragen der obersten Geschossebene über die hofseitige Hausfassade) noch nicht geäußert hat, macht daher für sich allein seine Anrufung nicht zulässig. Das gilt auch für die hier relevierte Frage der Verkehrsüblichkeit der beabsichtigten Änderung (vgl 5 Ob 364/97h; WoBl 1998, 175/117). Die Entscheidung des Rekursgerichtes kann daher vom Obersten Gerichtshof nur unter dem Gesichtspunkt überprüft werden, ob die Verkehrsüblichkeit überhaupt als Tatbestandserfordernis für die Genehmigung des gegenständlichen Dachbodensausbaus zu werten ist bzw. ob dem Ergänzungsauftrag des Rekursgerichtes, mit dem zum Ausdruck gebracht wurde, dass die bisher getroffenen Feststellungen noch keine Bejahung der Verkehrsüblichkeit des Bauvorhabens erlauben, eine grobe Fehlbeurteilung anhaftet.

Dass die Verkehrsüblichkeit des gegenständlichen Bauvorhabens für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit eine Rolle spielt, sollte - was ebenfalls erst zu prüfen ist - dem Antragsteller nicht der Nachweis eines wichtigen Interesses an der geplanten Änderung gelingen, kann nach der Judikatur nicht zweifelhaft sein. Durch den mit einer Änderung der Fassade einhergehenden Dachbodenausbau werden nämlich gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen (vgl WoBl 1994, 191/46; 5 Ob 364/97h), sodass er von der Antragsgegnerin nicht schon deshalb zu dulden ist, weil keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen festgestellt werden konnte. Gemäß § 13 Abs 2 Z 2 WEG muss der Ausbau "überdies" der Übung des Verkehrs entsprechen (oder einem wichtigen Interesse des Antragstellers dienen). Auch wenn ein Dachbodenausbau heute als weitgehend verkehrsüblich anzusehen ist, können die örtlichen Gegebenheiten oder eine besondere Art der Bauausführung gegen eine solche Annahme sprechen. Die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, die geplante Bauweise müsse auf ihre Verkehrsüblichkeit überprüft werden, ist daher nicht zu beanstanden.

Das dagegen vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführte Argument, ein nach den baurechtlichen Bestimmungen zulässiger Bau entspreche immer der Übung des Verkehrs iSd § 13 Abs 2 Z 2 WEG, trifft nicht zu. Nicht alles, was den Bauvorschriften entspricht (von der Baubehörde also nicht untersagt werden kann) ist per se verkehrsüblich. Bewusst hat der Gesetzgeber die Genehmigungsfähigkeit einer dem § 13 Abs 2 Z 2 WEG unterliegenden Änderung von Wohnungseigentumsobjekten eben nicht von der Einhaltung der Bauvorschriften, sondern von der Verkehrsüblichkeit abhängig gemacht.

Ebenfalls nicht zu folgen ist dem bereits vom Rekursgericht als nicht zielführend erkannten Argument des Rechtsmittelwerbers, es bedürfe gar keiner Überprüfung der Genehmigungsvoraussetzungen des § 13 Abs 2 WEG (also auch nicht der Feststellung der Verkehrsüblichkeit des Bauvorhabens), weil die Antragsgegnerin (am 29. 1. 1999) dem Dachbodenausbau ohnehin "ohne irgendwelche Einschränkungen oder Auflagen" zugestimmt habe. Im gegenständlichen Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 2 WEG geht es nicht um die Durchsetzung einer vertraglichen Zusage, sondern um die Beurteilung der Duldungspflicht nach den gesetzlichen Kriterien des § 13 Abs 2 Z 1 WEG vorzunehmende Prüfung einfließen, ob durch die geplante Änderung schutzwürdige Interessen anderer Miteigentümer beeinträchtigt werden (MietSlg 38/9; immolex 1999, 170/112 mwN; 5 Ob 58/99m = EWr II/13/122). Insoweit ist der Rechtsstreit ohnehin erledigt. Die zusätzlichen Genehmigungsvoraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 2 WEG sind offen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden, weil das Rekursgericht alle nicht von den Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilungen ohnehin im Einklang mit der Judikatur getroffen hat.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 26 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG.

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